Was Kinder wirklich brauchen
Vorbemerkung
Die Kategorien »Kind als Forscher« und »Laborexperiment«, geprägt von einigen Einrichtungen der Frühförderung und heute gedankenlosgängiger Sprachgebrauch, entsprechen nicht den Denkmustern der Kinder. Sie sind irreführend. Der Entdeckergeist der Kinder geht nicht von einer Hypothese aus, die überprüft werden muss. Kinder entdecken ihre Welt ohne eine erkennbare Planung, Methode und Kontrolle, wie sie für die forschenden Experimente der modernen Wissenschaft kennzeichnend sind.
Wenn Kinder Geräte zur freien Verfügung gestellt bekommen, die sie soeben zur Durchführung eines Laborexperiments benutzt haben, dann setzen sie diese nicht mehr ein, um das Experiment zu wiederholen. Ganz im Gegenteil. Sie integrieren die Geräte spontan in Fantasiespiele. Pipette oder ein Reagenzglas erhalten dann andere Namen und Funktionen und werden entsprechend eingesetzt. Auch hierin erkennt man den Unterschied zwischen dem Bild eines Forschers, wie es in den Köpfen der Erwachsenen existiert, und dem Verlangen eines Kindes, sich die Welt nach seinem eigenen Maßstab anzueignen.
Wie lernen Kinder im Vorschulalter?
Jedes Geschehen, in das man sich selbst nicht mit eigenen Ideen einbringen kann, verkümmert letztlich zu bloßem Aktionismus und hinterlässt kaum Spuren im Gehirn.
Lernen ist Anknüpfen an und Modifizieren von Vorwissen
Lernen ist ein Vorgang der selbstständigen Modifizierung von vorhandenen Konzepten durch neue Erfahrungen und nicht die Implementierung nach irgendwelchen akademischen Kriterien. Es ist müßig, Wissen nach seinem eigenen Denkschema in die Kinderköpfe hineinpressen zu wollen, weil die Passung gar nicht da ist. Lehrstrategien, die sich nicht den Denkmustern der Kinder anpassen, können bei den Kindern keinen Zuwachs an Erfahrung und Wissen bewirken.
Kreative Lernprozesse können immer nur durch ein Anknüpfen an das Vorwissen stattfinden und wenn Kinder in ihrem Weltverständnis auf Widersprüche stoßen.
Hierzu ein Beispiel: Im Gelände einer Kita haben die Kinder Feuerkäfer und Marienkäfer entdeckt. Im Gespräch merke ich an, dass ich wohl verstehen kann, weshalb der Feuerkäfer so heißt, weil er ja feurig rot aussieht, doch wieso heißt der andere Käfer Marienkäfer? Die Kinder meinen, wegen der Punkte auf seinem Rücken. Aber der Feuerkäfer hat doch auch Punkte auf dem Rücken, sage ich, trotzdem heißt der Feuerkäfer nicht Marienkäfer. Die Kinder finden meinen Einwand berechtigt und machen sich sofort daran, die beiden Käferarten in Hinblick auf die Unterschiede und Ähnlichkeiten genauer zu untersuchen. Hier findet also eine Modifizierung der Konzepte statt. Hier haben die Kinder die Möglichkeit, etwas zum Gegenstand ihres Denkens zu machen, und dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Verstehen von Zusammenhängen.
Lernen ist auf Dialog angewiesen
Der Dialog und damit die Sprache spielen eine herausragende Rolle beim Lernen. Denn der Dialog ist ein Vorgang der personalen Begegnung. Im Dialog erfahren wir, was Kinder bereits wissen und wie sie über einen Sachverhalt denken. Im Dialog erfahren die Kinder auch, welche Vorstellungen die anderen Kinder über ein und denselben Sachverhalt haben. Somit erlangen sie eine größere Bewusstheit ihrer Wirklichkeit und ihres Denkens.
Ein Wissen, das nicht in einen Dialog mit der Wirklichkeit eintreten kann, ist ein nutzloses Wissen, weil Kinder es nicht anwenden können, um sich selbst und ihre Welt besser zu verstehen. Es beeinträchtigt nur ihre Sinneswahrnehmungen
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/14 lesen.