Mit diesem Beitrag wird die Serie fortgesetzt, in der wir – in Kooperation mit der GEW und um die Kampagne »Für ein besseres EGO« zu unterstützen – Pädagoginnen porträtieren, über ihre Arbeit, ihre Kompetenzen und ihr Engagement berichten. Erika Berthold (Text) und Torsten Krey-Gerve (Bild) stellen die Erzieherinnen Manuela Gerstung und Susann Karl aus der Weimarer Kita »Sackpfeife« vor.
Die Sackpfeife ist ein Dudelsack, ein Instrument der fröhlichen Töne, die zum Tanzen einladen. Den gleichen Namen trägt ein Wohngebiet am Rande Weimars. Er stammt aus der Zeit, als dort noch keine Häuser standen. Über die Felder pfiff der Wind, und das klang, als spiele jemand die Sackpfeife. Auch der Kindergarten, der inmitten des Wohngebiets liegt, heißt »Sackpfeife«. Ein ungewöhnlicher Name für eine besondere Einrichtung. Sie liegt in der Nähe des Klinikums, in dem viele Eltern arbeiten.
Die in freundlichem Blau-Gelb gehaltene Fassade verbirgt Räume, die Kinder auf vielerlei Weise zum Spielen, Lernen und Entdecken einladen. Im Garten steht, dicht am Zaun und sichtbar für Vorübergehende, ein großes Sackpfeifengebilde aus blaugrauem Ton. Daneben wartet eine hölzerne Wippe. Sie hat die Form einer Flöte – das Mundstück der Sackpfeife.
Der Kindergarten, ein Neubau, wurde im Jahr 2005 eröffnet. Nach einer kurzen Übergangszeit formierte sich das Team um die Leiterin Clivia Malleskat (46). Von da an gehörten Manuela Gerstung (47) und Susann Karl (44) dazu.
Der Weg zum Beruf
Susann Karl wuchs in Weimar auf. Manuela Gerstung stammt aus Potsdam und kam vor 24 Jahren nach Thüringen. Beide waren nicht nur Kolleginnen – sie arbeiteten in der gleichen Kita, allerdings in verschiedenen Bereichen –, sondern wohnten auch im gleichen Haus. Erst freundeten sich ihre Kinder miteinander an, dann die Frauen. Eines Tages erfuhren sie, dass für die »Sackpfeife« zwei Erzieherinnen gesucht werden, und beschlossen, sich zu bewerben. »Das Haus hatte uns gefallen, Frau Malleskat kannten wir schon und wollten gern mit ihr zusammenarbeiten«, sagt Susann Karl. »Es klappte, wir hatten Glück.«
Beide Frauen wollten gern Erzieherinnen werden. Für Manuela Gerstung wäre sowieso kein anderer Beruf in Frage gekommen. Während Susann Karl sich an den Kindergarten, in den sie früher ging, erstaunlicherweise überhaupt nicht erinnern kann, schwärmt Manuela Gerstung: »Ich hatte damals eine ganz tolle Erzieherin, und der Umgang mit uns Kindern war nicht starr, sondern ziemlich modern. Es gab vier Gruppen, nach dem Alter zusammengesetzt, und wir zogen jedes Jahr in einen anderen Raum. Auf die Spielzeit im Garten freute ich mich immer, weil ich dann mit meinen Geschwistern zusammen sein konnte. Wir waren zu Hause fünf Kinder. Mit dreien war ich im Kindergarten, die älteste Schwester war schon in der Schule und die jüngste in der Krippe. Das Schönste aber waren die Feste, weil die Räume dann offen waren und wir überall hin konnten. So wie die Kinder in unserer Kita heute jeden Tag.«
Räume und Zuständigkeiten
In der Kita »Sackpfeife« können die Kinder tatsächlich jeden Tag überall hin, denn dort gibt es keine Gruppenräume. Das Haus gliedert sich in Funktionsräume: den Bewegungsraum, das Atelier mit Experimentierebene, den Bauraum, den Rollenspielraum, die Piazza und das Kinderrestaurant. Das heißt: Die Kinder haben viel Freiheit, ihre Ideen umzusetzen, können selbst entscheiden, wo oder mit wem sie sich beschäftigen möchten, und wissen, wo sie die Dinge finden, die sie dazu brauchen, denn die Übergänge sind fließend: Sechs Meter hohe Räume werden von Spielpodestlandschaften in mehrere Ebenen geteilt, die Räume im Raum schaffen, Bewegungs- und Rückzugsmöglichkeiten bieten und den Blick von oben ermöglichen, also Überblick gestatten. »Die Jüngeren können sehen, was die Älteren machen, mitspielen oder sich etwas abgucken«, erklärt Manuela Gerstung. »Es ist interessant, sie dabei zu beobachten, und macht Freude, sich auf sie einzulassen. Die Kinder merken das und fühlen sich in dem, was sie tun, von uns wahrgenommen und anerkannt. Ihre Ansprechpartner suchen sie sich selbst, denn: Nicht jeder Mensch kommt mit jedem gleich gut klar. Da denkt sich ein Kind dann vielleicht: Heute gehe ich mal zu Susi, weil Susi das und das gut kann.«
Was kann Susi gut? Mitspielen. »Stimmt«, sagt Susann Karl und lacht. »Ich bin schon das zweite Jahr im Rollenspielraum. Meine Aufgaben sind: kleine Impulse geben, um die Spielideen der Kinder zu unterstützen, und beobachten, welchen Themen sie sich widmen, um für anregendes Material zu sorgen. Mitspielen macht mir besonders viel Spaß.« Das ist wunderbar, denn im Rollenspiel verwandeln sich die Kinder in das, was sie in ihrer Umwelt wahrnehmen, ahmen nach, probieren aus, erfinden und kommunizieren dabei miteinander. Teilt eine Erzieherin die Freude an diesen kreativen Prozessen, macht sie mit und nicht nur vor, ist sie den Kindern Spiegel und Vorbild zugleich.
Manuela Gerstung ist mit zwei Kolleginnen für das Atelier zuständig. »Im Atelier bin ich vor allem die Handreicherin für die Kinder. Immer wieder stelle ich fest, dass sie viel kreativer sind als ich, staune über ihre Ideen, gucke mir manches ab und gebe es später an andere Kinder weiter. Zuvor war ich im Bewegungsraum. Aber da ich Frau Malleskats Stellvertreterin bin, muss ich mich auch um Leitungstätigkeiten kümmern. Im Atelier bin ich entbehrlicher als im Bewegungsraum.«
Die meisten Kinder mögen letzteren Raum besonders, weil sie ihre elementaren Bedürfnisse nach Bewegung darin befriedigen können. Aber dabei geht es nicht immer leise zu. Deshalb schätzen Erwachsen den Raum seltener. Doch er ist Manuela Gerstungs Lieblingsraum: »Als Kind wollte ich Bergsteigerin werden, obwohl ich Höhenangst habe. Im Bewegungsraum taucht sie aber nicht auf, weder bei mir noch bei den Kindern, die ja viel kleiner sind als ich, den Raum und seine Höhe ganz anders erleben. Das ist so ein Paradies für Kinder! Ich freue mich, wie geschickt sie sind. Richtige Bergsteiger!« Kein Wunder, wenn eine Erzieherin sie ermutigt, sich auszuprobieren, ihre Kräfte einzusetzen und ihren Bewegungsdrang auszuleben.
Auch Susann Karl liebt den Bewegungsraum: »Seine grüne Farbe hat so was angenehm Beruhigendes.« Am Rollenspielraum, ihrer Domäne, schätzt sie hingegen die gemütliche Atmosphäre. Da steht ein großer Sessel, in den man sich kuscheln und vorlesen kann. Vorlesen, das ist übrigens nicht allein Sache der Erzieherin. Seit einiger Zeit kommt Märchen-Klaus einmal in der Woche zu Besuch, ein älterer Herr aus der Nachbarschaft. »Als er Rentner wurde«, erzählt Susann Karl, »hatte er keine Lust, nur zu Hause zu sitzen, kam auf die Idee, unseren Kindern Märchen und Geschichten vorzulesen oder zu erzählen und fragte, ob das möglich sei. Wir freuten uns, probierten die Sache aus, und es gefiel den Kindern. Sie sitzen zu seinen Füßen um den Sessel herum und lauschen ihm. Den Namen Märchen-Klaus haben sie ihm gegeben. Wenn sie ihn auf der Straße treffen, sprechen sie ihn so an.«
Sich dem Umfeld zu öffnen, Menschen aus der Nachbarschaft in den Kitaalltag einzubeziehen, das ist ein Aspekt der Offenen Arbeit. Diesem Konzept hat sich das Kitateam verschrieben.
Kontakt
Kindertagesstätte »Sackpfeife«
Alfred-Ahner-Straße 6a
99425 Weimar
Tel.: 03643/493730
Die Kindertagesstätte, die von 6.30 bis 17.30 Uhr geöffnet ist, besuchen 80 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren. In der angeschlossenen Krippe gibt es Plätze für 45 Kinder bis zu vier Jahren, von denen viele später in die Kita übernommen werden.
Zum Team der Kita gehören acht Erzieherinnen und ein Erzieher sowie die Leiterin. In der Krippe arbeiten sechs Erzieherinnen und ein Erzieher. Clivia Malleskat leitet beide Einrichtungen. Für warme Mahlzeiten, das Putzen und Hausmeisterarbeiten ist eine Fremdfirma zuständig.
www.kindergaerten-weimar.de
Die Hufeland Trägergesellschaft Weimar betreibt mehrere Kitas in und um Weimar. Zur »Sackpfeife« geht es über > Kindergärten > Sackpfeife. Darüber hinaus wurden über jede Einrichtung und die konzeptionellen Bausteine Filme gedreht, die Einblick in die Einrichtung und die Arbeit bieten. Einfach durchklicken über > Filme.
www.erzieherin.de
Der Online-Artikel fasst drei Beiträge Gerlinde Lills zur Offenen Arbeit zusammen, die in der Fachzeitschrift »Betrifft KINDER« erschienen. Er bietet frühpädagogischen Fachkräften und Leitungskräften einen Einblick in die Möglichkeiten Offener Arbeit und beantwortet viele Fragen. Einfach »drei Beiträge Lill Arbeit« in die Suchmaske eingeben.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 05/16 lesen.