|
Wie Kinder Räume entdecken und gestalten
Welche Räume wünschen sich Kinder? Wo fühlen sie sich wohl? Wie würde ein Raum aussehen, den sie für sich selbst entwerfen und was würde dabei herauskommen, wenn sie in Teams mit KünstlerInnen zusammenarbeiten?
Diese und weitere Fragen inspirierten Sabina Abdulajeva vom Berliner Studio Mutu, mit Kindern das Thema Raum zu erforschen.
Meinen langgehegten Wunsch, Kindern Räume zu ermöglichen, in denen sie sich ausdrücken können, wie sie es wollen und nicht wie wir Erwachsenen es uns vorstellen, konnte ich vor etwa einem Jahr mit fünfzehn Fünfjährigen der Berliner Kita Villa Kunterbunt und der Unterstützung von zwei KünstlerkollegInnen und dem Berliner KinderKünsteZentrum umsetzen. Im Zeitraum von drei Monaten trafen wir uns wöchentlich an ein oder zwei Tagen, je nach Thema und benötigten Räumlichkeiten mal in der Kita und mal im KinderKünsteZentrum. In den Workshops lernten die Kinder nicht nur viele verschiedene Materialien kennen, sondern konnten sich an jedem unserer gemeinsamen Vormittage in den Fluss ihrer eigenen Fantasie fallen lassen und in ihrer ganz eigenen Art Entdeckungen machen, ohne sich mit den anderen zu vergleichen. In diesem Spielraum – oder vielleicht besser gesagt Möglichkeitsraum – forschten sie in verschiedenen großen und kleinen Formaten und kreierten insbesondere mit Papier, Wolle und Farbe unterschiedliche Raumerfahrungen. Jedes Erlebnis war Ausdruck ihrer individuellen und kollektiven Fantasie. Zusammen mit den Kindern stellten wir uns Räume vor und gestalteten Räume, die wir verwandelten, bewegten und bewohnten. Einige unserer Erlebnisse und Impulse, die uns auf dem Weg dorthin hilfreich waren, möchte ich Ihnen gern vorstellen.
Sich im Raum erfinden
Bei einem der ersten Treffen gestalteten wir mit den Kindern kleine 3D-Skulpturen aus Papier auf einem mit Kleber bestrichenen Fundament. Es dauerte gar nicht lang, da begannen die Kinder ganz ohne unser Zutun zu experimentieren und z.B. herauszufinden, wie man aus verschiedenen Papiersorten unterschiedliche Formen schaffen kann. Durch Verdrehen, Falten, Biegen oder Zerkleinern schufen sie dynamische Formen und durch das anschließende Arrangieren der Einzelstücke einen imaginären Raum, in dem sie sich auch bewegten. Sie stellten sich Fragen wie z.B.
- Wie kann ein flaches Stück Papier auf einem Brett stehen bleiben?
- Wie lässt sich eine zweidimensionale Form in eine dreidimensionale Schöpfung umwandeln?
- Auf welche Art und Weise kann man Papier falten, damit neue Formen entstehen?
- Was passiert, wenn man nicht sich nicht vorher überlegt, was man machen will, sondern den Weg der Entstehung den eigenen Händen und der eigenen Experimentierkraft anvertraut?
Bei diesen Erforschungsprozessen entstanden viele intuitive Welten in Miniatur. Beim Arrangieren der kleinen Papierwelten – darunter waren riesige Vögel, fliegende Autos, mehrschichtige Gehwege, Aufzüge und Häuser – auf dem Boden, erzählten sich die SchöpferInnen einander deren Geschichten: Wer dort wohnt, wie deren BewohnerInnen dort leben, wie sie sich bewegen, was sie dort machen und so weiter. Mit einem Scheinwerfer, den wir zuvor so installiert hatten, dass die Kinder ihn gut selbst bedienen konnten, verstärkten und veränderten sie durch die Wirkung von Licht und Schatten die räumliche Dimension ihrer Miniaturwelt, besuchten sich gegenseitig an ihren Kreaturen und spielten, spielten, spielten ...
Raum schaffen und verwandeln
Während eines anderen Treffens inspirierte ich die Kinder mit dem Buch »Harold und die Zauberkreide« von Crockett Johnson zu einer weiteren Art einer anderen Raumvorstellung. Ich las ihnen die Geschichte von Harold vor, der sich selbst ein Abenteuer zeichnete, und schaute mit ihnen zusammen die Bilder an und fragte sie danach, wo sie sich wohlfühlen, welche Orte sie mögen und welche sie für sich schaffen möchten. Danach betraten wir die Welt der Malerei und die Kinder schufen auf der Grundlage ihrer Antworten riesige Gemälde. Als die Bilder fertig waren, machte ich zusammen mit meiner Kollegin, Kirstin Broussard, die an diesem Tag dabei war, Fotos von den Kindern, auf denen sie in ihren Bildern »drinnen« waren. Einige von ihnen wollten unbedingt alleine in ihrem Bild, an ihrem Ort sein, andere zusammen mit ihren FreundInnen. Einige Kinder stellten sich in einem Schwimmbad vor, in dem sie tauchen und im Wasser schwimmen würden. Ein Kind, verkleidet als Hexe, rollte sich in ihren Bild mit einem Sonnenhaus zusammen wie ein kleiner Ball. Ein anderes legte sich auf dem Dach ihres neuen Hauses schlafen.
Ein anderes Mal betrachteten wir zu Beginn eines Treffens in deren Kita mit den Kindern einige Abbildungen von den einzigartigen Welten und Räumen in großen Formaten der Künstler Richard Serra und Tomas Saraceno. Unsere Frage, ob sich ihre Kitaräume z.B. mit Garn und Klebeband wohl auch verwandeln lassen, griffen die Kinder begeistert auf. Sie klebten Garn an die Wände, auf den Boden, auf die Stühle, und schufen einen Raum, der sie an verschiedene natürliche Umgebungen, wie Spinnennetz oder Sonnenstrahlen, erinnerte.
Viel Freude machte es den Kindern auch, großformatige abstrakte Bilder von Landschaften zu malen, die wir an die Wände klebten. Nach einigen gemeinsamen Überlegungen, wer in diesen Landschaft leben könnte, schnitten die Kinder aus buntem Papier viele verschiedene Formen und Figuren aus, von denen sie sich vorstellen konnten, sie würden ihre Landschaft bevölkern. Wir hängten ihre Kreationen vor ihre Bilder und beleuchteten sie. Die Schatten all dieser Wesen füllten ebenso wie die der Kinder den Raum und ließen eine Licht-und-Schatten-Welt entstehen. Durch ihre, auf die Zeichnungen projizierten Schatten, betraten die Kinder buchstäblich ihre eigene Welt.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11-12/17 lesen.