Ein Baumhaus ist ein Refugium, ein mit der Natur verbundenes, romantisches Kleinod, ein Wolkenkuckucksheim. Es beflügelt die Fantasie und weckt die Neugierde vieler Menschen. Kindheitserinnerungen werden wach und der Wunsch, selbst eine Leiter oder Stiege hinaufzusteigen und einzutauchen in den Raum zwischen Ästen und Blattwerk – ein Ort zum Spielen, zum ungestörten Entspannen, Träumen und Beobachten.
Nester in der Höhe
Vögel haben wunderbare Baumhäuser. Als Kind sehnte ich mich danach, auch so ein Nest bauen zu können – hoch oben, den Wolken nah, trotzdem sicher und geborgen. Mit den Vögeln ausschwärmen und wieder zurück kommen, flügge werden. Überhaupt: Fliegen können! Ein Traum...
Leidenschaftlich gern sah ich mir Vogelbücher an. Auf Spaziergängen mit meinem ornithologisch bewanderten Vater schärfte sich mein Blick dafür, wo welche Vögel ihre Nester bauen. Einmal bekam ich einen Brutkasten für Meisen geschenkt. Wie groß war meine Freude, als ein Meisenpärchen einzog. Ich beobachtete, wie die Eltern ein- und ausflogen, hörte dem zierlichen Piepsen der Jungvögel zu, das meine Fantasie beflügelte, und machte mir Gedanken, wie die Kinderschar in dem engen, dunklen Raum wohl heranwuchs. Noch heute interessiert mich der Nestbau der Gefiederten, und ich habe Hochachtung vor ihrer architektonischen Leistung.
Ausblicke
Das größte Glück auf Erden war es für mich, aus ungewöhnlichen Perspektiven auf die Erde zu blicken, zum Beispiel durch kleine Sehschlitze im obersten Geschoss eines Turmes. Ich ließ meinen Blick in die Weite schweifen, und die Welt unter mir erschien wie ein Spielzeugland. Aus unserem Dachbodenfenster schaute ich über die Dächer der Nachbarhäuser: Schrägen, Schindeln, Luken, verschiedene Schornsteine, Antennen, versteckte Balkone und allerlei wunderliche Anbauten gab es da zu entdecken. Manchmal konnte ich die Nachbarin beim Hantieren in der Küche beobachten.
Ein Sommer im Baumhaus
Wenn die Erwachsenen die Haselnusssträucher im Garten kürzten und die Bäume beschnitten, begann für uns Kinder die Zeit des Sammelns, Schätzens, Sortierens und Ausprobierens. Kleinhölzer, Geäste und Baumteile wurden plötzlich interessant für uns: Brechen die Äste leicht? Sind sie feucht, knorrig, biegsam oder stabil? Wir sammelten nicht nur Stöcke, sondern auch Rindenstücke und andere Teile, deren Nutzen sich erst später erweisen würde. Wenn wir die Rinde von den Ästen pulten oder schälten, fanden wir Insektengänge, Würmer, Eier und allerlei Wundersames, das es zu erforschen galt. Langeweile hatten wir nicht.
Wurde ein Baum abgesägt, ergatterten wir schwere Stücke des Stamms, Astgabeln oder Baumscheiben. Wie Eichhörnchen horteten wir unsere Schätze in geheimen Verstecken. In einem mir ewig in Erinnerung bleibenden Sommer half uns ein Freund der Familie beim Konstruieren eines Baumhauses. Für uns Kinder war das Planen, Diskutieren, Sammeln und Heranschaffen erst mal das Wichtigste. Alles konnten wir gebrauchen: bearbeitetes Holz, Bretter, einen alten Fensterrahmen, Stricke, Pappen, Nägel, einen Hammer und eine Säge.
Als die Plattform und das Grundgerüst stabil und sicher auf einer Astgabel verankert waren und die Steigleiter angebracht war, widmeten wir uns ohne die Erwachsenen weiteren Verschönerungen des Baumhauses und verbrachten viele Stunden dort oben. Wie es schaukelte und knarrte! Wie schaurig schön der Blick nach unten war!
Unser Nest wurde zum Ausgangspunkt aller möglichen Spiele. Wir schlugen Seeräuber in die Flucht, waren kurz darauf selbst welche, wurden zu Rittern, Indianern oder Entdeckern anderer Kontinente. Unser Fernrohr war die hohle Hand oder ein altes Rohr aus unserem Fundus. Wir konnten andere Leute beobachten, blieben selbst aber neugierigen Blicken verborgen. Ein perfektes Versteck!
Weil unser Freiheits- und Bewegungsdrang damals nur selten eingeschränkt wurde, lernten wir schnell, unsere Kräfte einzuschätzen, übten den Gleichgewichtssinn, liebten die Gefahr und meisterten sie gemeinsam. Klettern, trittsicher werden, vorsichtig Schritt für Schritt, immer mutiger und sicherer, immer höher hinauf und den Ausblick genießen. Das Kitzeln im Bauch erleben, wenn die Höhenangst überwunden ist und der Stolz, es geschafft zu haben, haben uns berauscht. Zur Belohnung die Geräusche des Windes und das Spiel des Sonnenlichts in den Blättern und Zweigen.
Begann es zu regnen, schützte vorerst das Blattdach. Wurde der Regen stärker, ersannen wir allerlei Konstruktionen, um in unserem Nest nicht nass zu werden. An der Westseite des Baumhauses – das hatten wir bei den Pfadfindern gelernt – setzten die Bretter im Laufe des Jahres Moos an. Von dort kam nämlich der Regen. Also mussten wir einen Regenschutz bauen, stellten Überlegungen an und experimentierten mit Material, um das Problem zu lösen. Im Improvisieren waren wir Meister. Planen, Decken, Strippen und Schirme wurden herbeigeschafft, um das himmlische Vergnügen nicht abbrechen zu müssen. Unsere Wetterstation wurde immer gemütlicher. Niemand kam auf die Idee, nach Hause und vor den Fernseher zu flüchten, denn es gab keinen.
Sich an warmen Sommertagen mit einem Buch ins Baumhaus zurückzuziehen, allein zu sein oder mit der Freundin über Gott und die Welt zu reden, Bonbons zu lutschen oder Kekse zu teilen – das tat gut. Zeitlose Momente eines langen Sommers...
Baumhaus-Geschichte
Baumhäuser haben eine beeindruckend lange Tradition. Schon der römische Kaiser Caligula veranstaltete Gelage auf der Plattform einer stattlichen Platane. Diese Idee griffen Baumeister der Renaissance begeistert auf. So stammt ein Baumhaus, das sich in England auf einer alten Linde befindet, aus dem 17. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert fand ein Afrika-Reisender ein ganzes Dorf, bestehend aus 17 winzigen Hütten, in einem Baum.
Noch heute werden auf den Philippinen Baumhäuser als Schutz- oder Verteidigungsanlagen errichtet. Das höchste Baumhaus der Welt befindet sich jedoch im indischen Kerala. Es ist ein Hotel mit dem Namen »Green Magic Tree House«, liegt in einer Höhe von 26 Metern und ist mit einem Aufzug zu erreichen.
In der Schweiz wurde ein Seminar-Baumhaus in eine siebzigjährige Eiche gebaut. Es bietet maximal 30 Personen Platz. Dank seiner ausgeklügelten Tragkonstruktion ist dieses nur von einem einzigen Baum getragenes Baumhaus das größte auf der Welt.
Dagmar Arzenbacher
www.treehouse-company.com
Diese Seite einer schottische Firma, die Baumhäuser baut, ist ein absolutes »Muss« für alle Baumhaus-Enthusiasten. Ein Blick auf die Seite > Gallery ist ein Genuss. (Funktioniert leider nur mit dem Internet Explorer).
www.baumhaus-konstruktion.de
Webseite, die sich mit dem Bau von Baumhäusern beschäftigt. Unter > Baumhäuser finden Sie tolle Fotos. Die anderen Links verweisen auf eine gut bebilderte Bauanleitung für ein anspruchsvolles Baumhaus.
www.baumraum.de
Das Atelier »baumraum« beschäftigt sich mit der Planung und dem Bau von Baumhäusern und anderen Bauten, die im engen Naturumfeld entstehen sollen. Ein Blick auf und in die > Baumhäuser gestattet es, in Erinnerungen und Visionen zu schwelgen.