In vielen Gärten, aber auch auf verwildertem Brachland, in Wäldern und auf Wiesen wachsen zahlreiche Nutzpflanzen, von denen wir nur wenige kennen, obwohl sie von unseren Vorfahren seit langem verwendet werden. Hinzu kommen mehr oder weniger viele Züchtungen dieser Pflanzenarten, die der Wildform mitunter kaum noch ähnlich sehen, aber aufgrund bestimmter Eigenschaften und Inhaltsstoffe für uns heute sehr wertvoll und wichtig sind.
Herbert Österreicher stellt Nutzpflanzen vor, über die es Bemerkenswertes zu berichten gibt und die gerade auch für Kinder interessant sind. Die Serie begann in Heft 5/2009.
Pflanzen mit einem scharfen oder bitteren Geschmack werden von Kindern meist abgelehnt – mit einer Ausnahme: der Schnittlauch (Allium schoenoprasum). Merkwürdigerweise gehört er sogar zu den Lieblingspflanzen vieler Kinder. Nicht selten sind es Zwei- oder Dreijährige, die diese Vorliebe zeigen. Als wir an dem Buch »Gärten für Kleinkinder«1 arbeiteten, erzählte uns die Leiterin einer Münchner Kinderkrippe: »Wenn die Kinder plötzlich wie Zwiebeln riechen, dann wissen wir: Sie haben gerade den Schnittlauch entdeckt.«
Vom Graslauch zum Schnittlauch
Obwohl der grasartig wachsende Schnittlauch zu den unscheinbarsten Arten der Gattung Lauch (Allium) gehört, wurden Menschen schon früh auf sein würziges Aroma aufmerksam. In Europa wird die Pflanze mindestens seit dem frühen Mittelalter als Küchenkraut genutzt. Im Laufe der Zeit erhielt sie sehr anschauliche Namen: Graslauch und Binsenlauch (wegen der dunkelgrünen, binsenartigen Blätter), Jakobszwiebel (weil man Zwiebeln früher um Jakobi erntete, also um den 25. Juli), Schnittling oder Suppenlauch. Mittlerweile hat sich die Bezeichnung Schnittlauch durchgesetzt, und es gibt kaum jemanden, dem dieses Küchenkraut unbekannt ist.
Neben dem Schnittlauch werden seit langem auch einige andere essbare Laucharten genutzt. An erster Stelle steht die Küchenzwiebel (Allium cepa), von der es zahlreiche verschiedene Züchtungen (Sorten) gibt. Andere wichtige Verwandte sind der Knoblauch (Allium sativum), der Lauch oder Porree (Allium ampeloprasum), die Schalotte (Allium ascalonicum) und die Winterzwiebel (Allium fistulosum).
Die allermeisten der insgesamt rund 600 Laucharten sind jedoch kaum bekannt, und nur einige wenige von ihnen haben wenigstens als Zierpflanzen »Karriere« gemacht. So beeindrucken manche Steppengärten mit Riesenlauch (Allium giganteum), Allermannsharnisch (Allium victorialis) oder Gelbem Lauch (Allium flavum) – Laucharten mit violett, cremeweiß oder gelb leuchtenden Blüten, oft in großen, kugeligen Blütenständen. Die Blütenkugeln des Schnittlauchs sind zwar deutlich kleiner als die der großblumigen Arten, aber man könnte auch ihn als Zierpflanze ansehen.
Bis vor wenigen Jahren wurde die Gattung noch zur Familie der Liliengewächse gezählt. Heute bilden die je nach Zählung 200 bis über 700 Laucharten die größte Gruppe innerhalb einer eigenen Unterfamilie der Amaryllisgewächse.
Die grasartigen Blätter sind für viele Laucharten typisch. Immerhin stammen die meisten von ihnen aus eher trockenen Steppengebieten, und die manchmal extrem schmalen Blätter schützen die Pflanzen vor zu großen Feuchtigkeitsverlusten. Um Trockenzeiten und Frostperioden zu überdauern, bilden die Pflanzen unterirdische Zwiebeln, die bei manchen Laucharten sehr groß und dick werden können – beispielsweise bei der Küchenzwiebel.
Der Schnittlauch hingegen besitzt nur kleine und sehr dünnhäutige Zwiebeln mit einem Durchmesser von höchstens einem Zentimeter. Durch den Austrieb von Seitenknospen bilden sich rasch zahlreiche Brutzwiebeln, aus denen wiederum dünne, lange Blätter wachsen. Dieser dichte, horstartige Wuchs unterscheidet den Schnittlauch deutlich von anderen Laucharten.
Zwar stellt bereits der halbkugelige bis kugelige Blütenstand ein wichtiges gemeinsames Merkmal aller Laucharten dar, aber das beste Erkennungsmerkmal der Gattung ist der auffällige und charakteristische Lauchgeruch. Er geht auf eine bestimmte Schwefelverbindung zurück, die sich bei Verletzungen der Pflanzenzellen bildet. Daher riechen frisch geschnittene oder zerdrückte Stängel, Blätter oder Blüten besonders stark.
Herbert Österreicher
1 Österreicher/Prokop: Gärten für Kleinkinder. verlag das netz, Weimar/Berlin 2010
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 04/11 lesen.