Auf der klebrigen Spur des Education-Marketing
»Die Frage ist im Grunde immer dieselbe: »Was haben unsere Kinder davon?« Begrüßungssatz auf der Intro-Seite von blattwerk-media.de
Deutschlands Kindergärten geht es ganz, ganz schlecht. Überall mangelt es an den wichtigsten Basis-Materialien – zum Beispiel den unentbehrlichen Ausmalpostern, den Malbüchern und »Erkenne die fünf Unterschiede«-Bildern.
Schlimmer noch steht es mit der Ernährung: Offenbar werden die Kleinen unzureichend mit Bauer®-Fruchtjoghurt versorgt, erhalten Frucht-Tiger® weit unter der vom Hersteller empfohlenen Tagesdosis und müssen oft genug beim Frühstück auf die geliebte Reinert-Bärchenwurst® verzichten. Es ist keine schöne Kindheit, die sich da in aus Kostengründen nicht einmal von Original-Rolf-Zuckowski®-Musik beschallten Räumen abspielt…
Der Staat tut wie immer nichts.
Aufrechte, gute Menschen können das natürlich nicht tatenlos hinnehmen, sagen Organisationen, die sich wirklich um Kinder sorgen und deswegen in einem Wirtschaftszweig arbeiten, der – kein Scherz! – den Namen Education-Marketing trägt.1
Wie Education-Marketing geht
Für alle, die mit den Kindern die große DHL®-Kiste mit Ausmalmaterial und Bübchen®-Produktproben noch nicht regelmäßig öffnen, hier ein kleiner Schnellkurs:
Mehrmals im Jahr erhalten diese Kindergärten und Grundschulen (…) sinnvolle und pädagogisch verantwortbare Produkte, die einen echten Nutzen für Kinder und Einrichtungen aufweisen: kostenlos, akzeptiert, streuverlustfrei und aufmerksamkeitsstark. (…) Gerne senden wir auch Ihrer Betreuungseinrichtung mehrmals im Jahr wertvolle Geschenkpakete mit sinnvollen, gesponserten Produkten zum Malen, Backen, Spielen, Trinken…
Es mag angebracht sein, diesen Satz aus der Feder von »Blattwerk Media« mit Beispielen zu illustrieren. »Sinnvolle« und »pädagogisch verantwortbare Produkte« mit »Nutzen für Kinder und Einrichtungen« sind so illustre Dinge wie Ausmalposter, Kinderzeitschriften, Joghurts, Fruchtmixgetränke sowie – vor allem zum Backen, wer hätte das gedacht! – Mehl.
Und »streuverlustfrei«!2 Jeder, der mit Kindern jemals Corn-Pops von Kelloggs® aß, weiß, wie nervig die sind: »Hol bitte sofort den Handfeger, Luis, und fege die Streuverluste zusammen!«
Doch gemeint ist wohl etwas anderes: Beim Education-Marketing fallen solche schönen Produkte nicht in die Hände von Nörglern, Konsumverweigerern und »Bitte-keine Werbung«-Aufkleber-Benutzern, sondern in die Finger kleiner Menschen, die für alle großen und kleinen Wunder der Welt offen sind – auch für den sensationellen Geschmack von mit viel Wasser gemixtem Fruchtsaftkonzentrat.
Ja, die Menschen aus dem Education-Marketing reden mit hohem Respekt von den Kindern:
Den Kindern und Jugendlichen von heute gehört die Zukunft. Nicht ohne Grund sind sie eine der spannendsten Zielgruppen überhaupt: (…) Sie beraten und beeinflussen das soziale Umfeld bei zahlreichen Kaufentscheidungen und sind wichtige Multiplikatoren. (…) Kinder sind Entscheider!
Es wäre schön, denken vermutlich die Kinderfreunde aus den Ecucation-Marketing-Agenturen, wenn wir alle die Welt ein wenig mehr aus Kinderaugen betrachten würden, denn dann träfe das folgende Argument für Education-Marketing3 auch auf Erwachsene zu:
Im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Rundfunk befragten Wissenschaftler mehr als 1.000 Vorschulkinder. Resultat: Mehr als 60 Prozent vermochten Programm und Werbung nicht zu unterscheiden.
Ihr Micha Fink
1 Nein, das habe ich mir nicht ausgedacht, liebe Leserin: Schauen Sie im Internet unter www.piccolino.net, www.spread-blue.de, www.dsa.youngstar.de oder www.blattwerk-media.de nach. Aber lesen Sie zuvor bitte meinen Beitrag zu Ende. M. F.
2 Dieser Begriff wird Kandidat für das nächste »Wort des Jahres«.
3 Von der Homepage von »spread blue«
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 04/11 lesen.