Im Rahmen des Programms »Kunst-Stück«, gefördert von der Robert Bosch Stiftung, entstand das Tanzprojekt, von dem Bettina Inés Truffat berichtet. Es fand im Haus für Kinder am Hirzberg statt. Ein Jahr lang konnten Kinder im Alter von drei bis elf Jahren daran teilnehmen.
An einen sonnigen Spätnachmittag traf ich das Team zum ersten Mal in den Räumen des Kinderhauses. Meine Absicht war, die Erwachsenen in die Welt des Tanzes und der Bewegung einzuführen. Sie sollten am eigenen Leibe erfahren, was es bedeutet, sich gemeinsam zu bewegen, und ein Gefühl für den Tanz entwickeln, also für das, was die Kinder über ein ganzes Schuljahr hinweg im Tanzprojekt erleben würden.
Einige Wochen später kam der erste Tag mit den Kindergartenkindern. Meine Idee war, dass alle die Chance bekommen sollten, am wöchentlichen Tanzunterricht teilzunehmen, um zu spüren, wie sich Tanzen anfühlt. Die Kinder ließen sich neugierig auf mich ein.
Ein wichtiger Aspekt in der Entwicklung eines tänzerischen Gefühls ist das Zusammenspiel von Bewegung und Rhythmus. Deshalb kombinierte ich in einigen Tanzspielen nicht nur Musik und Bewegung, sondern auch Bewegung und Stimme so miteinander, dass es den Kindern möglich war, die Simultanität von Bewegung und Zeit zu erfahren. Mit Begeisterung waren sie dabei, das Tempo von Bewegungen zu beschleunigen oder zu verlangsamen.
Nach fünf Wochen intensiver Arbeit in einer festen Gruppe kam für die Kinder die Zeit der Entscheidung: Mache ich weiter oder nicht? In diesem Prozess wurden sie von den Pädagoginnen der Einrichtung begleitet.
Tanzen nur Mädchen?
Es entstanden eine altersgemischte Gruppe aus 15 Mädchen und Jungen und eine weitere Gruppe, in der nur fünf Jungen im Alter von fünf bis sechs Jahren waren. Diese Jungen waren in ihrer Haltung dem Tanz gegenüber unsicher: Einerseits bereitete es ihnen Freude, sich zu bewegen und Herausforderungen zu meistern – andererseits hieß es, dass Tanzen nur etwas für Mädchen sei. Wir erkannten, dass sie keine Vorbilder hatten, keine männlichen Tanz-Vorbilder.
Wie soll ein Junge sich für das Tanzen entscheiden, wenn er noch unsicher ist, was ihn in seiner geschlechtsspezifischen Entwicklung ausmacht? Ich brachte einen Tanzfilm mit, in dem junge Menschen, Männer und Frauen, kraftvoll und ausdrucksstark tanzen. In einer der ersten Stunden schauten wir uns diesen Film mit den Jungen an.
Dann tanzten wir, und ich brachte den Kindern eine Choreografie, die der im Tanzfilm gezeigten ähnlich war. Das öffnete den Jungen die Tür zum Tanz, und es machte ihnen Spaß, sich so zu bewegen.
In den folgenden Wochen wurde aus den Jungen eine dynamische Gruppe, bestens ausgestattet für die Tanzstunde: mit den Tanzstulpen der Mutter oder mit bequemen und besonders coolen Tanzhosen. In der Stunde erfanden die Jungen, von mir unterstützt, die unterschiedlichsten Bewegungsabläufe.
Die Gruppe der Jüngeren, die aus Mädchen und Jungen bestand, war groß: 15 Kinder wollten mitmachen. Ich nahm die Herausforderung an.
Jede Stunde begann ich mit einem Bewegungsritual, das ich speziell für kleinere Kinder arrangiert hatte. In diesem Ritual erlebten die Kinder die Gemeinschaft zunächst in der Stille, spürten ihren Atem und brachten ihre Körper sanft in Bewegung.
Es folgten verschiedene Bewegungsspiele, die das Bewegungsrepertoire der Kinder erweitern, ihre Koordination unterstützen, das Gleichgewicht schulen, eine gute Erdung schaffen und eine aufrechte Haltung verankern sollten.
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Bettina Inés Truffat ist Tänzerin, Dipl.-Tanz-Pädagogin, Bewegungstherapeutin, Choreografin und Mutter von zwei Kindern.
www.truffat.com
Kontakt
Haus für Kinder am Hirzberg
Leitung: Maria Matzenmiller
Karthäuserstr. 105
79104 Freiburg i. B.
Tel.: 0761/201 38 08
www.dancilla.com
Dancilla ist ein privates Projekt, das Materialien zum Tanz (Volkstanz, Folkloretanz, historische Tänze...) und zu verwandten Gebieten wie Musik, Lieder, Tracht und Brauchtum aus aller Welt für Tanzinteressierte gratis zur Verfügung gestellt.
www.tanznetz.de
Ein interaktives Journal für künstlerischen Bühnentanz und ein Austauschforum für Tanzinteressierte und Veranstalter.
www.dbft.de
Der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. setzt sich für die Förderung der Tanzpädagogik an privaten Ballett- und Tanzschulen ein. Dazu führt er regelmäßig pädagogische Seminare durch. Ziel: qualifizierter und gesundheitsfördernder Unterricht für alle Altersklassen, die Stärkung der Rolle privater Ballett- und Tanzschulen als Vorausbilder des professionellen Tänzernachwuchses.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03/12 lesen.