Exkursion in die Remida von Reggio Emilia
Studierende des berufsbegleitenden Studiengangs »Frühkindliche inklusive Bildung« der Hochschule Fulda reisten mit Sabine Lingenauber und Janina von Niebelschütz im September 2016 in die norditalienische Stadt Reggio Emilia. Katrin Schnurr berichtet von einem herausragenden Tag in der Remida und den neuen Einsichten, die sie und ihre Kommilitoninnen dort fanden.
Kaum treten wir über die Schwelle, packt uns eine faszinierende Vielfalt an Farben und Formen. Wir betreten eine Welt von entfesselndem Charakter. Regale voller Knöpfe, Stoffreste, Holz, Fäden, Garn, Plastikrollen, Draht oder Papier in hunderterlei Ausführungen warten hier. An einigen Regalen wird von MitarbeiterInnen der Remida eingeräumt, verschoben, gesäubert und vervollständigt. An anderer Stelle wird etwas gesammelt und gesucht. Es sind die Fabrikhallen der Remida in Reggio Emilia, der Ursprung aller weiteren Remidas von Australien bis Norwegen. Neben den international anerkannten kommunalen Bildungsreinrichtungen und dem Loris Malaguzzi Center stehen auch diese auf unserem Exkursionsprogramm.
Drei Fachkräfte empfangen uns und laden ein auf eine Reise in eine Erfahrungswelt mit sinnlich-gegenständlichen Darstellungen, Assoziationen und Gedanken. Farbenfroh und großzügig präsentiert sich hier Material, das gleichzeitig verwirrt und zum genaueren Inspizieren provoziert. Wir tauchen ein in eine Fülle von Farben, Materialien, Strukturen und Oberflächen, die in dieser Anordnung und Präsentation einen besonderen Reiz ausübt. Unsere Hände tasten, buddeln und finden unterschiedlichste Oberflächen. Rollen endloser Planen oder die Farben vielfältigster Stoffe beflügeln unsere Fantasien. Was ist das? Wo kommen all diese Materialien her? Wieso sind sie hier in dieser einladenden Ästhetik zu finden? Wer sortiert das und was wird damit geschehen?
Symbole städtischer Produktion
Der Name »Remida« ist eine Wortschöpfung, er leitet sich von »Reggia Mida« ab, was Palast des Mida bedeutet. König Midas war ein mythischer König im 8. Jahrhundert vor Christus mit der Gabe, alles zu Gold zu verwandeln, was er berührte.
Hier zeigt sich, was in der Umgebung Reggio Emilias produziert wird. Die lokalen Hersteller bringen ihren Überschuss, Fehlproduktionen oder Ausschussware, jedoch keinen Müll, in die Remida. Die Modeindustrie, wie z. B. die italienische Designermarke Max Mara mit Sitz in Reggio Emilia, wechselt mehrmals jährlich ihre Farbpalette und dafür wird ausrangiert, was gerade noch »in Mode« war. Die ausgemusterte Ware wird in die Remida gebracht, Kindern und MitarbeiterInnen sozialer Einrichtungen oder Kindertageseinrichtungen steht das Material kostenlos zur Verfügung.
Es ist ein Ort, der Veränderungen auslöst. Hier kann jede und jeder erfahren, wie Unperfektes eine Würdigung erfährt und Wertloses wieder wertvoll wird. In kleinen Gruppen werden wir aufgefordert, das Material Papier zu untersuchen. Papier in mannigfaltigster Ausführung finden wir zusammen mit einigen Utensilien und Instrumenten, wie z.B. einer Nähmaschine, Wasserbehältern, Pinzetten, Lupen, Cutter und Draht bereitgestellt. Wir beginnen zu experimentieren. Wir beobachten, warten, schweigen, lachen, reißen, fokussieren, diskutieren, nähen, kleben, lösen auf, zerren und tauschen aus. Am Ende sind wir uns darüber einig, dass dieser erspürende Prozess so weiter gehen könnte und unser Interesse daran niemals enden würde.
Anhand unserer vielfältigen Denk- und Ausdrucksformen wird deutlich, wie unterschiedlich menschliches Wahrnehmungsvermögen sein kann. Das Geräusch beim Reißen von Papier ist für den einen laut und schmatzend, während es für die anderen kaum zu hören war. Für die eine war die Zeit zum Trocknen von Papier kaum auszuhalten, während es für andere für die Beobachtungen der farblichen Veränderungsprozesse wichtig war.
www.fruehkindliche-inklusive-bildung.de
Mit einem ansprechenden Video und zahlreichen Informationen vermittelt die Website der Hochschule Fulda erste Eindrücke zum Bachelor-Studiengang »Frühkindliche inklusive Bildung«
Katrin Schnurr ist Diplom-Kommunikationsdesignerin und gestaltete vielfältige, von Kinderhand beeinflusste Projekte. Sie entschied sich für den berufsbegleitenden Bachelor-Studiengang »Frühkindliche inklusive Bildung« und arbeitet studienbegleitend im Krippenbereich eines Montessori Kinderhauses in Hamburg.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/17 lesen.