Remida Deutschland – Nachhaltigkeit in frühkindlichen Einrichtungen (Teil 3)
Im Jahr 2007 gründet die Sozialpädagogin Susanne Günsch Deutschlands erste Remida – das kreative Recycling Centro in Hamburg – und stellt für ein gutes Jahrzehnt nach dem Vorbild der Reggio-Pädagogik Materialien, die in In- dustrie, Handel, Handwerk und Gewerbe anfallen, für kreativ-künstlerisches Arbeiten zur Verfügung (Teil 1 »Ende. Aus. Micky Maus« in Betrifft KINDER 09-10/ 2021). Damals war sie Pionierin und machte Kinder und Erwachsene mit der Idee einer Remida und nachhaltigem Leben und Lernen vertraut (Teil 2 »Wundertüte Leben« in Betrifft KINDER 11-12/2021). Im dritten Teil ihres Gesprächs mit Jutta Gruber reflektiert sie, wie es um das Arbeiten mit bedeutungsoffenem Recycling-Material in unseren Kitas bestellt ist bzw. bestellt sein könnte.
Sollte in jeder Kita und vielleicht sogar in jeder Krippe der Geist einer Remida wehen?
Ja, unbedingt! Zumindest, wenn es tatsächlich der Geist der Remida ist und man nicht den Fehler begeht, mit Recycling-Material dieselbe Angebotspädagogik durchzuführen wie mit den üblichen gekauften Materialien.
Was unterscheidet Angebotspädagogik von reggio-inspirierter Pädagogik, bzw. Basteln von kreativem Tun – in einfacher Sprache?
Basteln ist häufig mit einem bestimmten Zweck verbunden, z.B. um die Feinmotorik zu fördern oder das Kita-Fenster für Ostern zu dekorieren. Dann denke ich immer, wie anders und weitsichtiger in Reggio Emilia gearbeitet wird, wo Kinder angeregt werden, das, was sie bewegt, was sie zu einem Thema denken, kreativ auszudrücken. Dort kann man lange suchen und wird keine einzige »Haus, Baum, Sonne in die Ecke«- Zeichnung finden. Vielleicht noch einfacher gesagt: Beim Basteln – ich persönlich habe ja das Wort aus meinem Sprachschatz gestrichen und differenziere in Spielen, Bauen und Gestalten – geht die Initiative meist von den Erwachsenen aus. Hier denkt der Erwachsene. Er denkt sich etwas aus, womit er das Kind unterhalten könnte und wobei im besten Fall etwas »Schönes« herauskommt und das Kind vielleicht sogar etwas lernt. In der Reggio-inspirierten Pädagogik wird das Kind zum eigenständigen Denken eingeladen. Hier wenden sich die Erwachsenen dem Kind zu – offen und aufmerksam für dessen Themen, Vorstellungen und Thesen. Damit fängt es an und genau da liegt für mich der Unterschied.
In den Fortbildungen großer Träger geht es selten um solch grundsätzlich pädagogische Fragen. Wie findet man Fort- bildnerInnen, die das Zusammenspiel von Kunst, Umwelt und Recycling verinnerlicht haben und praxisnah vermit- teln?
Obwohl ich mir über diese Frage wirklich den Kopf zerbrochen habe, ist mir dazu nichts eingefallen. Reggio-Pädagogik ist – nach wie vor – eine Nische und es gibt kaum FortbildnerInnen für Reggio-inspirierte Pädagogik. Auch an den Fachhochschulen nicht. Dass offenes Arbeiten nach wie vor von vielen belächelt wird, liegt vor allem daran, dass offenes Arbeiten von vielen nicht verstanden wird, und das wiederum liegt wahrscheinlich daran, dass sich dieses Thema nicht kompakt und konkret und schon gar nicht an einem Tag vermitteln lässt. Die Bearbeitung pädagogischer Fragen braucht prozessorientierte Langzeitbetreuung. Wenn ErzieherInnen beginnen, den Kindern zu folgen, müssen sie vieles hinter sich lassen.
Susanne Günsch ist Erzieherin, Diplom-Sozialpädagogin, Fundraiserin und Autorin. Sie gründete die Remida, das kreative Recycling Centro in Hamburg, und arbeitet als freiberufliche Fortbildnerin für Reggio-Pädagogik und offene Arbeit.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/2022 lesen.