Marta Ferrer findet, dass das Gesetz aus dem Jahr 1990 – ein wahrer Meilenstein – nicht den Erfolg zeigte, den man sich damit versprach. Sie begrüßt jedoch die Erneuerung des Gesetzes – ergänzt nunmehr um Finanzierungsregelungen.
Die Annahme des Gesetzes zur Regelung des Erziehungssystems (Ley de Ordenación General del Sistema Educativo; LOGSE) im Jahr 1990 war ein Meilenstein für die Entwicklung der Kindereinrichtungen in Spanien. Alle Einrichtungen für Kinder im Alter von der Geburt bis zu sechs Jahren wurden als erste Stufe des Bildungssystems anerkannt. Egal ob unter öffentlicher oder privater Trägerschaft, sollten sie künftig eine klar definierte Rolle im Bildungswesen spielen. Das Konzept der »Bildung für Kleinkinder« ersetzte damals die »Kinderbetreuung« und der Begriff der Kleinkinderschule (escuela infantile) war von da an die Bezeichnung für alle Kindertageseinrichtungen. 16 Jahre später ist die Situation jedoch alles andere als ideal.
Obwohl Spanien jetzt seine längste Periode der Demokratie in der Geschichte des Landes erlebt, spiegeln die Kindertageseinrichtungen immer noch die lange Zeit der faschistischen Diktatur wider, in der die Vernachlässigung der öffentlichen Kindereinrichtungen zu einer Ausbreitung der privaten zu einem großen und mächtigen Sektor führte.
Die verblassende Vision
Spaniens Situation ist weit entfernt von allem, was mit dem LOGSE-Gesetz erreicht werden sollte. Das betrifft sowohl die Qualitätskontrolle (einschließlich der Standards für Gruppengröße, des Personalschlüssels und der Ausbildung des Personals) als auch die Quantität der Plätze (das Recht jedes Kindes auf einen Platz). Dieses Versäumnis ist bei den Einrichtungen für Kinder unter drei Jahren am deutlichsten zu sehen. Statistiken der spanischen Regierung zeigen, dass gegenwärtig nur zwölf Prozent der Kinder von der Geburt bis zum Alter von drei Jahre einen Platz bekommen, wobei 41 Prozent davon eine öffentliche Kindertageseinrichtung besuchen und 59 Prozent in private Einrichtungen gehen. Untersuchungen, die auf Statistiken der für Bildung in den Autonomen Regionen zuständigen Behörden zurückgreifen, zeigen, dass die Versorgungszahlen höher liegen: 21 Prozent der Altersgruppe bis unter 3 Jahren besuchen eine Einrichtung. Der Anteil der privaten Angebote überwiegt auch hier mit 52 Prozent gegenüber 48 Prozent in öffentlicher Trägerschaft.
Der Unterschied zwischen den Statistiken kann daran liegen, dass einige Autonome Regionen dem Bildungsministerium in Madrid einfach nicht alle Daten zur Verfügung stellen, sodass die nationalen Daten unvollständig bleiben. In einigen Autonomen Regionen aber kann die Ursache darin bestehen, dass die Daten wegen mangelnder Koordination zwischen verschiedenen zuständigen Abteilungen nicht zusammengetragen werden und daher unvollständig bleiben.
Diese Untersuchungen brachten ein weiteres besorgniserregendes Ergebnis: In den meisten Autonomen Regionen werden die privaten Einrichtungen nicht so streng überwacht wie vorgesehen. So ist es möglich, dass mehr Kinder aufgenommen werden, als die offiziellen Daten zeigen.
Für die älteren Kinder zwischen drei und sechs Jahren ist die Situation völlig anders. 99 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe besuchen eine escuela infantile. Zwei Drittel aller spanischen Kinder gehen besuchen öffentliche Einrichtungen. Es gibt aber große Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. So ist beispielsweise in Barcelona die Aufteilung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor umgekehrt und nur ein Drittel der Kinder zwischen drei und sechs Jahren besucht öffentliche Einrichtungen.
Ursachen für den schwachen öffentlichen Sektor
Während der 40 Jahre dauernden Diktatur war die Ausweitung des privaten Sektors nicht nur erlaubt, sondern wurde gefördert und leicht gemacht – und das zu einer Zeit, in der überall sonst in Europa die Erziehung und Bildung immer mehr zu einer öffentlichen Aufgabe wurde. Die dann folgenden demokratischen Regierungen trafen auf eine Situation, die sich nur schwer umgestalten lässt. Die vielen privaten Anbieter vertreten starke soziale und religiöse Interessen, z.B. die katholische Kirche. Hinzu kommt, dass die meisten Einrichtungen für Kinder zwischen drei und sechs mit Grundschulen verbunden sind, was zum gegenwärtigen Zahlenverhältnis zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor beiträgt.
Die Daten belegen, dass die Bildung für Kinder unter Alter drei Jahren vom Staat und ebenso von den meisten der Autonomen Regionen vernachlässigt wurde – obwohl sie ein zentrales Ziel des LOGSE-Gesetzes war. Diese Altersgruppe hat keine Priorität. Alle Anstrengungen wurden vielmehr vor allem darauf gerichtet, den Besuch der Kleinkinderschule für alle Kinder zwischen drei und sechs Jahren zu ermöglichen. Die einzige Regierungs- bzw. Verwaltungsebene, die sich wirklich der Entwicklung von Bildungsangeboten für Kinder unter drei Jahren verpflichtet sah, sind die örtlichen Gemeinderäte. Sie nehmen die Probleme von Familien mit sehr jungen Kindern ernst, ihnen fehlen jedoch oft die notwendigen Mittel. Trotzdem ist Dank ihrer Bemühungen der öffentliche Sektor gewachsen.
Die Regierung hat sich verpflichtet, bedeutende Subventionen zur Verfügung zu stellen, um die Umsetzung des neuen Gesetzes zu unterstützen und die Richtung der Erziehung und Bildung für die frühe Kindheit in Spanien zu korrigieren.
Die heutzutage wichtigsten Probleme
Die gegenwärtige Situation ist kompliziert und widersprüchlich. Sie wird von drei aktuellen Entwicklungen beeinflusst:
1. Die Zahl der berufstätigen Eltern steigt, entweder weil beide den Lebensunterhalt sichern müssen oder weil beide arbeiten wollen. Daraus resultiert ein wachsender Bedarf an Kindereinrichtungen mit erweiterten Öffnungszeiten.
2. Die inzwischen abgewählte konservative Regierung verfolgte acht Jahre lang Strategien, die deutlich darauf ausgerichtet waren, private Träger zu stärken. Das diente zwei Absichten: einerseits die Wahlmöglichkeiten auf dem Markt der Angebote für die drei- bis sechsjährigen Kinder zu erhöhen. Andererseits wurde das gesetzlich garantierte Recht auf Bildung für alle Kinder von Geburt an ersetzt und stattdessen eine Rückkehr zum Wohlfahrtssystem mit Zugangsbeschränkungen beim Zugang zu Plätzen angestrebt.
3. Eine stärker Verbreitung findende Auffassung, dass der Sozialstaat nicht aufrechtzuerhalten sei und der Markt daher öffentliche Dienstleistungen anbieten müsse.
Diese Entwicklungen haben ausgedehnte Debatten, verschiedene Sichtweisen und einige unberechenbare Strategien hervorgerufen. Es gibt in Spanien zum Beispiel eine intensive Diskussion über die Bezahlung für private Erziehung und Bildung von Kindern zwischen drei und sechs Jahren. Die Vertreter von Privatkindergärten erklären, dass die »Freiheit der Wahl« die öffentliche Finanzierung ihrer Einrichtungen verlange. Viele soziale Organisationen hingegen, zum Beispiel die, die Interessen von Eltern und Schülern vertreten, und einige Lehrergewerkschaften, sind gegen die Subventionierung der privaten Bildung. Ihre Argumentation richtet sich zum Einen darauf, dass die Regierung dringendst öffentliche Angebote ausweitet und verbessert, und zum Anderen gegen die Subventionierung privater Einrichtungen, wenn sie nicht ein demokratisches Management und einen Zugang für alle Kinder und Familien ohne Diskriminierung sichern. Aber keine der beiden Seiten in dieser Diskussion geht auf die Veränderungen ein, derer die spanische Gesellschaft zum Thema frühkindliche Bildung wirklich bedarf: erweiterte Öffnungszeiten entsprechend den Bedürfnissen heutiger Familien und Einsatz für die Rechte der Kinder, die auch durch eine verbesserte Lebensqualität in den Einrichtungen verwirklicht werden.
Die Versorgung mit Angeboten für die Kinder unter drei Jahren ist total unzureichend. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass diese Einrichtungen überwiegend privat sind. Außerdem erhält nur eine geringe Zahl von ihnen staatliche Subventionen. So kann es nicht überraschen, dass diese Einrichtungen eine sehr geringe Qualität haben.
Die Bedürfnisse der Familien und die Versäumnisse beim Definieren und Anwenden von Qualitätskriterien führten zur Entwicklung zweier neuer Typen von Einrichtungen, die man sich zuvor kaum vorstellen konnte. Sie richten sich nach den Kriterien des Marktes. Zum einen gibt es kleine Unternehmen, die ohne irgendwelche Bedingungen oder Kontrolle Kinder aufnehmen. Zum zweiten wurden öffentliche Einrichtungen privatisiert. Sowohl Autonome Regionen als auch Gemeinderäte übergaben die Trägerschaft für Einrichtungen für Kinder unter drei Jahren an private Organisationen.
Diese Entwicklungen tragen zu einer wachsenden Anspannung sowohl unter pädagogischen Fachkräften bei, als auch unter Familien, deren Bemühungen von Jahr zu Jahr beschwerlicher werden, öffentliche Kindertageseinrichtungen von guter Qualität zu finden.
Neue Richtung – neue Hoffnung?
Doch gerade jetzt, während diese Debatten und die Privatisierung sich weiterentwickeln, hat die spanische Zentralregierung ein neues Bildungsgesetz vorgestellt, das die Bedeutung der Bildung von der Geburt bis zum Alter von drei Jahren wieder hervorhebt. Damit wird praktisch das Gesetz zur Regelung des Erziehungssystems (LOGSE) wieder umgesetzt. Darüber hinaus hat sich die Regierung verpflichtet, bedeutende Subventionen zur Verfügung zu stellen, um die Umsetzung des neuen Gesetzes zu unterstützen und die Richtung der Erziehung und Bildung für die frühe Kindheit in Spanien zu korrigieren. Erstmals in der spanischen Geschichte wird der Staat neue Plätze für Kinder unter drei Jahren finanzieren. Vielleicht wird das nur ein vorübergehendes Interesse sein… Wir dürfen jedoch die Hoffnung nicht verlieren.
Zurück zur Übersicht
Zum Seitenanfang