Friedrich Fröbel (1782-1852) veränderte das Denken über frühkindliche Erziehung. In einer Zeit, in der Kinder ab dem siebten Lebensjahr als erwachsen galten, erfand er den Kindergarten.
Buchstäblich ein Garten für Kinder, ein Ort zum Wachsen und Entwickeln, ein Ort zur Beobachtung, zur Erforschung und zum Umgang mit der Natur, in Freiheit und Harmonie mit sich selbst und anderen, mit dem Lebendigen und dem Universellen – das Fröbel Gott genannt hat.
Er erkannte die Einzigartigkeit jedes Kindes und seiner Möglichkeiten. Er sah das begabte Kind, das kreative Kind und die fundamentale Bedeutung des Spiels für die Entwicklung und das Lernen des Kindes:
»Der Geist wird durch Selbstoffenbarung genährt. Im Spiel versichert sich das Kind seines Könnens, entdeckt die Möglichkeiten seines Willens und Denkens durch spontane Anwendung. Bei der Arbeit erfüllt es eine von jemand anderen vorgeschriebene Aufgabe und entdeckt weder eigene Schwächen, noch eigene Neigungen. Beim Spiel entdeckt es seine ureigene Kraft.«1
Fröbel machte das Spielen zum Zentrum seines Erziehungs- und Bildungskonzeptes.
»Das Spiel ist der höchste Ausdruck menschlicher Entwicklung während der Kindheit, denn nur dieses ist ein freier Ausdruck der kindlichen Seele … Es ist nicht trivial, vielmehr hochwichtig und von tiefster Bedeutung.«2
Er erkannte das Potenzial des Spiels als ein Lerninstrument, das auf natürliche Weise zu Arbeit führt. Deshalb entwickelte er offene Lernmaterialien, seine Gaben, die Kindern beim Spielen zu praktischen Lernerfahrungen führen.
Heutzutage sind diese Ideen Allgemeingut, doch die damalige konservative Gesellschaft fühlte sich herausgefordert. Tatsächlich verbot die Preußische Regierung die Kindergärten aus Angst vor zu freizügiger Erziehung. Doch sie haben es überlebt und Fröbels Ideen wurden um die Welt getragen. Viele aktuelle Konzepte gründen darauf, z.B. überall wo es heißt, dass jedes Kind in seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten einzigartig ist; ebenso diejenigen Konzepte, welche die kindliche Entwicklung als ganzheitlich betrachten und auch diejenigen, die die Bedeutung des Spiels für Entwicklung und Lernen anerkennen, oder welche den Menschen als Teil einer umfassenden Umwelt verstehen. Schließlich, aber nicht von geringerer Bedeutung, wurde der Gedanke einer eigenständigen Kindheit mit eigenen Rechten von Fröbel beeinflusst.
Aus diesen Gründen tragen viele Kindergärten, Schulen, Institute und Stiftungen weltweit seinen Namen, von Deutschland über England und in den USA, von Portugal und Spanien bis nach Lateinamerika; auch in Australien und Japan werden Konzepte aus seinen Wurzeln entwickelt.
Eine großartige Idee ist nicht deshalb großartig, weil sie perfekt ist, sondern weil sie die Menschheit voran bringt. Ungeachtet mancher Kritik an seiner Pädagogik, bleibt er doch ein Vorreiter der kindzentrierten Pädagogik. Wenn wir heutzutage wieder erleben, dass die Konzeptionen frühkindlicher Bildung durch Verschulungstendenzen gefährdet sind und das Spiel vorstrukturiert werden soll, wenn sogar die Zeiten für freies Spiel begrenzt werden, weil sie als Zeitverschwendung gelten oder als Risiko (wie das Spiel im Freien3), dann erinnert uns Fröbels Arbeit daran, dass Spiel eine hochernste Angelegenheit ist und von tiefer Bedeutung für Kinder. Es ist daher ein Grundpfeiler der Pädagogik.
Kinder spielen. Und beim Spielen lernen sie. Nach Vygotsky ist Spiel die Hauptbeschäftigung des Kindes und die Hauptquelle von Entwicklung und Lernen. Im Spiel entsteht die Zone der nächsten Entwicklung, in der jedes Kind agieren und sich verhalten darf, als sei es älter als es tatsächlich ist.4 Im Spiel erschafft jedes Kind diese Zone selbst. Darin kann es so handeln, als wäre es bereits kompetent. Auf diese Weise bereitet jedes Kind selbst den nächsten Schritt seiner Entwicklung vor.
Fast überall jedoch wird das Spiel unterschätzt, wenn Kinder schulpflichtig werden. Dabei spielt Spiel doch auch in diesem Alter eine sehr wichtige Rolle für das emotionale, soziale und kulturelle Hinweinwachsen in die Gesellschaft, wie Fröbel und Vygotsky, aber auch Piaget und Bruner bestätigen. Daraus folgt, dass Übergänge viel leichter für Kinder wären, und für Erwachsene auch, wenn man ihnen erlaubte, öfter allein oder mit anderen zu spielen. Spiel könnte schlicht und einfach die beste Strategie sein, um Übergänge zu bewältigen.
Fröbel war der erste, der die Macht des Spiels für unser Leben verstanden hat. Vor allem darum ist er der einflussreichste Pädagoge des neunzehnten Jahrhunderts. Er inspiriert uns noch heute.
Lúcia Santos ist Pädagogin und im Vorstand von APEI (portugiesische Lehrergewerkschaft, Lissabon). Sie ist auch die Herausgeberin von Kinder in Europa in Portugal.
Kontakt
1 Nach Friedrich Fröbel: »The Education of Man«. New York: A. Lovell & Company. 1885
2 Ebenda
3 Siehe Heft 19 von Kinder in Europa
4 L. S. Vigotsky. »A formação Social da Mente« (Mind in Society). Martins Fontes. S. Paulo. 2000
Zurück zur Übersicht
Zum Seitenanfang