|
Über den besonderen Wert von Kinderfreundschaften
Die Beobachtung von Kindern im Kindergarten und der Grundschule und das Gespräch mit ihnen ermöglichen, besser zu verstehen, wie Freundschaftsbeziehungen im Alter zwischen fünf und acht Jahren geknüpft werden. Sie zeigen die Fähigkeiten der Kinder, eine Beziehung aufzunehmen, um nicht alleine zu bleiben und um Freude am Spiel miteinander zu erleben. Auch wenn Kinder sehr viel durch ihre Beziehung zu den Erwachsenen, die sie erziehen wollen, lernen, so brauchen sie ebenso die Peergroup für ihre Entwicklung. Dort können sie erproben, was sie von den Erwachsenen gelernt haben, sie entdecken, wie andere auf sie reagieren und teilen die gleichen Interessen. Aus diesem Grund ist es von Vorteil, wenn Erwachsene die Zeit, die Kinder unter sich verbringen, wertschätzen, denn dort haben die Kinder selbst die Möglichkeit, Freundschaftsbeziehungen aufzubauen.
Miteinander spielen
Im Unterschied zu dem, was Kinder z.B in der Familie erleben, ist es wichtig, dass sie in einer Einrichtung innerhalb der Gruppen ihren Platz in der von der Institution vorgegebenen Gemeinschaft finden, indem sie mit einigen Kindern eine engere Beziehung aufbauen. Krippen und mehr noch Kindergärten und Schulen organisieren die Aufteilung der Kinder oft nach Alter und diese Einteilung hat Auswirkungen auf die Freundschaftsbeziehungen. In einer altershomogenen Gruppe sind die Beschäftigungen der Kinder einander ähnlicher, was die Motivation etwas gemeinsam zu machen erhöht. Es erhöht aber ebenso die Konkurrenz zwischen den Gleichaltrigen. Die Erwachsenen achten darauf, dass kein Kind allein bleibt und helfen den Kindern, die noch Schwierigkeiten haben, Beziehungen aufzubauen. Diese Aufmerksamkeit der Erwachsenen spüren die Kinder und reagieren darauf. Sie wissen, dass sie alleine eher eine Zielscheibe für Störenfriede sind und dass man sich alleine mehr langweilt. Im Gegensatz dazu fühlt man sich in der Gruppe geschützt und kann gemeinsam spielen. Die in unserer Forschungsarbeit angetroffenen Pädagoginnen hatten ein gutes Gespür für diese Gruppenbildungen ihrer jungen Kinder: Auch wenn man bei den Dreijährigen noch einige Kinder alleine sah, war es bei den Vierjährigen viel seltener, dass ein Kind allein blieb.
Die Kinder entdecken die Freude am gemeinsamen Spiel, aber sie lernen auch, dass es Einsatz benötigt, um zusammenzubleiben.
Der Dokumentarfilm »Récréations« von Claire Simon, der Kinder in Schulpausen zeigt, stellt dies sehr gut dar. Die Kinder müssen sich auf die Wahl eines Spieles einigen, über seine Regeln austauschen und während der ganzen Aktivität viele Zugeständnisse machen. Man kann sagen, dass eine kindliche Solidarität von dem ausgeht, was alle verbindet: Freude am Spiel zu erleben.
Beziehungen knüpfen
Im Kindergarten fängt eine Beziehung oft damit an, dass man immer zusammen ist, egal ob im Gruppenraum oder im
Garten. Ich frage Melanie (5):
Mit wem spielst du gerne?
Mit meinen Freunden und Freundinnen. Weil sie mit mir viel spielen und sie sind
meine echten Freunde und auch schon lange.
Im Garten genau wie im Gruppenraum ist Nachahmung eine gute Möglichkeit, in Kontakt zu treten und sein Interesse an anderen zu zeigen. Das bedeutet, dass man sich zu dem anderen in die Sandkiste setzt, um denselben Kuchen zu backen, dass man hinter ihm auf einer kleinen Mauer balanciert oder das gleiche Lied singt.
In der Gruppe spricht Marine (6) Thierry an:
Nein, du kommst nicht zu mir! Ja okay, du kannst die Stifte mit benutzen. Nein, du machst das nicht wie ich. Ja okay, wir zeichnen einen Korb, einverstanden? Nein! Geh nicht weg. Du machst immer dasselbe wie ich, okay? Das ist genau gleich.
Wenn derjenige, der nachgeahmt wird, den anderen akzeptiert, kann er ihn auch bitten, eine spezielle Rolle im Spiel einzunehmen. Im gemeinsamen Tun die Aufgaben eines jeden aufzuteilen schafft eine Abhängigkeit zwischen den Spielern,
die dann manchmal die Freude der Verbundenheit zu schätzen beginnen. Durch die tägliche Wiederholung der gleichen Beschäftigungen schaffen sich die Kinder Gewohnheiten und werden Freunde. Auch indem Geschenke eingesetzt werden, wird dafür gesorgt, eine Abhängigkeit herzustellen, sich wertschätzen zu lassen und seine Großzügigkeit zu zeigen. Im Hof eines Kindergartens baut Débora mit zwei Mädchen ein Schloss:
Wer will feuchten Sand?
Ich, ich!
Gib mir zwei Eimer voll für meine Freundinnen.
Während der Spielsituationen versuchen die Kinder, sich als engagierte Teilnehmer der Aktivität zu positionieren, indem sie ihren Charakter zeigen und indem sie ihre Vorstellungskraft beweisen, durch die das Spiel interessant wird.
Julie Delalande ist Kinder-Anthropologin und Professorin an der Universität von Caen Normandie, Frankreich
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa 29/15 lesen.