Über Nutzen und Schönheit wiederverwendeter Materialien
Die Remida Bologna ist ein einzigartiges Umwelt- und Kreativprojekt für Kinder im Kita- und Grundschulalter. Dass das Recycling nicht mehr benötigter Materialien stets mit dem Gedanken an Nachhaltigkeit einhergeht, beschreiben Fachkräfte der Remida im Rückblick auf ihren Sommer 2022.
Wer wir sind
Die Idee für das Projekt ReMida Bologna_Terre d’Acqua, eine Einrichtung für die kreative Wiederverwendung von Unternehmensabfällen, wurde 1996 in Reggio Emilia in Norditalien geboren. Die Ideen, die ihm zugrunde liegen, haben sich seither international verbreitet und zu einem lebendigen Netzwerk entwickelt. Die Remida wurde von der Kommune Calderara di Reno, vom Verein Reggio Children und dem regionalen Ver- und Entsorgungsunternehmen Enía, heute Iren, entwickelt. Seit 2012 ist sie Teil des Verbands autonomer Bildungseinrichtungen der Region Emilia-Romagna.
Die Remida sammelt Materialien aus den Resten, Mustern oder Mängelexemplaren der industriellen und handwerklichen Produktion. Diese Reste kommen nicht aus der Mülltonne, sondern werden uns von den Unternehmen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Sie dienen keinem bestimmten Zweck (mehr) und sind natürlich auch nicht für den didaktischen Gebrauch hergestellt. Gerade dadurch we sen sie eine bemerkenswerte Flexibilität hinsichtlich ihrer Nutzungsmöglichkeiten aus und fördern Fantasie und ein Denken, das neue, überraschende Bahnen einschlägt.
Derselbe fragende und neugierige Blick, mit dem wir uns Resten aus der Industrie zuwenden, gilt Materialien aus der Natur. Auch deren sensorische, poetische und wissenschaftliche Qualitäten erforschen wir drinnen und draußen und in den Bereichen dazwischen. Die Remida lässt uns Schönheit an Orten finden, wo wir sie sonst nicht gesucht hätten. Diese Annäherung an ganz verschiedene Materialien lädt ein, die Welt, die uns umgibt, durch Kreativität zu verändern und zu transformieren. Lernen verstehen wir nicht als angeborenes Talent, sondern als eine Fähigkeit, die mit der Zeit und am Gegenstand aktiviert und entwickelt werden muss. Daher sind wir auch der Meinung, dass Kreativität eine der Antworten auf die Klimakrise und die Frage, was ein gutes Leben ist, sein kann.
Seit 2008 sammelt die Remida Abfallstoffe und organisiert Bildungs- und Ausbildungsprojekte, die sich an Schulen aller Stufen, Mitarbeiter:innen öffentlicher und privater Einrichtungen sowie Familien richten. Mit dieser kulturellen Arbeit wollen wir zu einer Ethik der Nachhaltigkeit beitragen, die zukunftsfähige Werte vermittelt und gleichzeitig das, was uns umgibt, respektiert. Unsere Materialiensammlung wie unsere Veranstaltungen sind Räume, in denen stets neue Anregungen und unerwartete Begegnungen zu haben sind. In den Ateliers der Remida können Kinder und Erwachsene verschiedene Ausdruckssprachen und Materialien erforschen, verstehen und erleben, um mit ihrer eigenen Kreativität zu experimentieren und verschiedene Fähigkeiten in einen Dialog zu bringen.
»Reste sind etwas Besonderes, denn sie sehen aus wie ganz normale Dinge, sie regen zum Träumen an, sie verwandeln sich mit Fantasie in Geschichten, man muss sie nur anders betrachten.«
(Lisa, 5 Jahre)
»Ich packe die Süßigkeiten aus.« (Anna, 6 Jahre)
»Ich werfe sie weg, wenn ich Fußball spiele.« (Alexander, 9 Jahre)
Die Stadt zum Leben erwecken
Jeden Sommer organisiert die Remida ein größeres Projekt. Mit unserem Som- merprojekt von 2022 wollten wir Menschen dazu einzuladen, über die Ziele der Agenda 2030 nachzudenken und Ideen, Erfahrungen und Initiativen auszutauschen. Sie sollten ihr Wissen durch die Neuinterpretation von Abfallmaterialien ausdrücken und verbreiten und sich als Kulturschaffende verstehen, die – wie alle Menschen – ein Recht auf Schönheit haben. Wir glauben, dass es wichtig ist, Kinder in diese Themen einzubeziehen und ihre Fähigkeit zu unterstützen, innovative, utopische und daher niemals triviale Ansichten und Hypothesen einzubringen. Kinder sind bereits die Bürger:innen von heute und sollten daher an dem Erwerb eines immer größeren Bewusstseins und einer immer größeren Kompetenz für die Entwicklung eines nachhaltigeren Lebensstils beteiligt werden. Deshalb wurden sie in die Gestaltungsideen für die Straßen von Calderara di Reno einbezogen, die Passant:innen dazu einluden, Abfall als Ressource zu begreifen und über Nachhaltigkeit als festen Teil des gemeinsamen Lebens in der Stadt nachzudenken.
Wenn wir eine Generation wollen, die sich um die Umwelt kümmert, um die Stadt, in der wir leben, um die Welt, deren Bürger:innen wir sein werden, ist es notwendig, eine tiefe Beziehung mit der Welt um uns herum einzugehen. Auf diese Weise lernen wir, dass wir nicht getrennt sind von dem, was uns umgibt, sondern aktive Teilnehmer:innen von Prozessen und Entwicklungen. Man kann sich nicht um etwas kümmern, wenn man es nicht wirklich kennengelernt hat. Wir wollen die Stadterkundung der Kinder unterstützen – aber dazu ist es wichtig, dass wir Erwachsenen vor allem uns selbst herausfordern. Nur dann sind wir in der Lage, den Lernprozess in den Aktivitäten der Kinder zu erspüren. Wir können ihre Entdeckungsreise nur fördern, wenn wir ihre Überlegungen ernstnehmen – wenn wir selbst die Veränderungen der Materialien im Prozess beobachten, wenn wir Fragen stellen, die Rhythmen der Kinder wie auch der Natur respektieren, und wenn wir geduldig sind und abwarten können.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa heute 05/23 lesen.